8. Juli – Der hl. Prokopij von Lübeck, Wundertäter von Ustjug
die Glut und Hitze der Sonne. Nahrung erhielt er einwenig von einigen
gottesfürchtigen Leuten, aber nicht für alle Tage. Von Reichen aber und solchen, die
Unrecht taten, wollte er niemals etwas nehmen und verbrachte so häufig viele Tage
ohne Nahrung. So wurde er im Verlauf der Tage, Monate und Jahre, seinen Leib durch
Hunger, Durst und Schlaflosigkeit abtötend, ein Leben in Nacktheit und
Heimatlosigkeit verbringend, Verdruß, Schläge und Schelten widerspruchslos
erduldend, ein Märtyrer nach eigenem Willen, und lernte die ganze Welt für nichts zu
Um eines solchen Lebens willen nahm in ihm die Gnade Gottes Wohnung und schenkte
ihm die Gabe der Hellsichtigkeit, wie folgende Überlieferung beweist:
Als einmal Gott wegen der übergroßen Sünden der Menschen die Stadt, Ustjug durch
Blitz und Steinregen verzehren wollte, wie einst die Amoriter, die sich Josua
widersetzten, indem Er auf sie große Steine herabschüttete aus dem Himmel, also
wollte Er auch mit allen Christen tun, die nicht Buße tun wollten für ihre Sünden, die
gesetzlosen Bösen, die sich in Unrat und Schlamm wälzenden Gegener Jesu Christi, des
Sohnes Gottes, die Seinen Zorn reizen, gegen die Er sich aufmacht zur Rache als gegen
Seine Feinde, um sie zu verderben. So machte sich der Heilige Rächer auf gegen die
Stadt Ustjug, die Ihn erzürnt hatte, und bereitete für sie Tod und Verderben.
Der hl. Prokopij aber erkannte im Heiligen Geiste den Zorn Gottes, welcher Ustjug
drohte, und erschien rechtzeitig als Bußprophet, wie einst der Prophet Jonas in Ninive,
um Gottes Zorn ob der Sünden des Volkes anzuwenden. An einem der Wochentage,
als wie gewöhnlich in der Kathedralkirche der Gottesdienst begangen wurde, begann
der Selige die Leute zur Buße zu ermahnen und sprach: “Tut Buße, Brüder, für eure
Sünden, und versöhnet euch mit Gott durch Fasten und Gebet. Wenn nicht, wird euch
bald ein Steinhagel verderben. Denn der Zorn Gottes bricht herein.” Die Leute aber
nahmen die Rede nicht ernst sondern sprachen zu sich: “Dieser Mensch ist ohne
Verstand und spricht niemals etwas Verständliches:” Nach dem 33. Psalm aber trat der
Heilige in die Vorhalle, weinte und schluchzte ununterbrochen Tag und Nacht. Die
Vorbeigehenden aber sprachen zu ihm und fragten: “ Warum weinst du Narr, und
welcher Gram ist deinem Herzen widerfahren?” Diesen antwortete der Hochwürdige:
“Wachet Brüder und betet, daß ihr nicht ins Unglück fallet.” Sie aber verlachten ihn.
Nach drei Tagen trat er aus der Vorhalle heraus und ging in der ganzen Stadt umher,
allen Leuten predigend, unter Tränen und lautem Wehgeschrei, daß die Strafe Gottes
nahe herbeigekommen ist und sprach: “Tut Buße, ihr Menschen! Weint über eure
Sünden und betet, daß Gott der Herr Seinen Zorn abwende und nicht die Stadt wie
Sodom und Gomorra verdorben wird wegen des Übermaßes der Gottlosigkeit.” Die
Leute aber achteten, in der Verhärtung ihrer Herzen, nicht auf seine Predigt, sondern
schmähten ihn als einen Toren, schlugen seine Worte in den Wind, und strebten ihrer
gewohnten Verrichtung zu wie unreine Hunde aufs Aas. Der Selige aber kehrte zurück
zur Kathedralkirche zum Gebet. Sowar der Heilige allein in seinen inbrünstigen
Gebeten für alle und erwies sich als Vorbild für Buße, und betete zu Gott bei Tag und
Nacht mit ununterbrochenen Tränen. Nach sieben Tagen aber zog gegen Mittag über
die Stadt eine dunkle Wolke herauf. Im Nu verlor sich das Tageslicht und es ward
finster wie bei einer mond- und sternlosen Nacht. Da erschrak das Volk über dieses
ungewöhnliche Zeichen, da sich von allen Seiten schwarze Wolken sammelten, und den
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ganzen Himmel rundum bedeckten; wie feurige Kneuel entfuhren ihnen Blitze, und der
Donner rollte unheimlich am ganzen Firmament, keiner konnte den anderen mehr
verstehen; und die Erde unter ihren Füßen fing an zu schwanken. Das Gewölk aber
sammelte sich immer schwärzer und dunkler über der zitternden Stadt, die jeden
Augenblick den ausbrechenden Brand erwartete. Da erst begriff das Volk die Wahrheit
der Worte des vermeintlichen Irren, und alle stürzten mit Weib und Kindern zur
Kathedralkirche; Reiche und Krüppel, Freie und Knechte, auch Säuglinge mußten mit;
alle ohne Unterschied mußten mit, und baten die Geistlichen Bittgottesdienste
abzuhalten und den Akathist der Gottesmutter zu beten. Die Tränen des Volkes
benetzten den Boden der Kirche, die einen lauschten dem Gottesdienst, andere erhoben
ihre Blicke und Hände gen Himmel und wiederholten den Bußpsalm des königlichen
Propheten und andere Gebete. Alle baten die barmherzige Mutter Gottes um Fürbitte,
um Erbarmen Ihres Sohnes und Herrgottes und um Errettung aus dem
hereinbrechenden Unglück.
Da kam der selige Prokopij in die Kirche, fiel nieder vor der Ikone der Verkündigung
der hochwürdigsten Mutter Gottes und vergoß viele Tränen und betete, sie möchte
eine inständige Fürbitterin sein, bei Ihrem Sohn und Gott aller Menschen, die sich
versündigt und den Zorn Gottes auf sich gezogen haben. Wie einst Moses betete er zu
Gott und rief: “Vergib, o Herr, diesen Leuten ihre Sünden und, wo nicht, tilge auch
mich aus Deinem Buche darein Du geschrieben hast.”
Alsder hl. Prokopij und das Volk so in anhaltendem, flehentlichem Gebet zu Gott und
der hochwürdigsten Gottesmutter lagen, geschah ein großes Wunder an der Ikone der
Allerheiligsten Gottesgebärerin. Myron floß von ihrem Bilde herab, in solcher Fülle,
daß man alle kirchlichen Geräte mit diesem Öl füllte. Gleichzeitig aber schlug der Wind
zu dieser Stunde um, und die furchtbaren Wolken zogen mit Blitz und Donner ab in
wüste Gegenden, zwanzig Werst von der Stadt entfernt, wo es tatsächlich große,
brennende Steine regnete, die man noch heute dort, wie zur Warnung vor einer
leichtsinnigen Geisteshaltung, sehen kann, und die viele Wälder zerschlugen und
verbrannten. An Mensch und Vieh aber erschlugen sie niemand durch die Fürbitten der
Allerheiligsten Gottesmutter und durch die Gebete des hl. Prokopij. Mit dem duftenden
Myron aber, das von der Ikone der Gottesmutter herabgeflossen war, wurden die
Leute gesalbt, und viele, die an verschiedenen Gebresten litten und krank waren,
empfingen davon Genesung und Gesundheit; unter anderem wurden zwei besessenen
Frauen geheilt. Große Freude war in der Stadt über ihre wunderbare Errettung vom
sichtbaren Verderben und über den Segen des heilbringenden Myron, das sie durch das
Erbarmen der Allerheiligsten Gottesmutter empfangen hatten.
Der hl. Gottesknecht Prokopij aber führte weiterhin wie gewohnt sein Leben als Narr
und verbarg seine Tugend vor den Menschen.
Wie groß dabei die Gnade Gottes in ihm war geht aus folgendem hervor:
Schon im letzten Jahr des hl. Prokopij brach ein strenger Winter herein mit Frost und
heftigem Schneegestöber, welches zwei Wochen andauerte und sogar Stadthäuser
verschüttete. Nicht nur der Mensch konnte diese grausame Kälte nicht überstehen,
selbst Vögel erfroren und fielen tot auf die Erde. Viele Menschen und Tiere nicht nur
auf dem Land und auf den Straßen erfroren, sondern auch in der Stadt, und die meisten
Armen kamen in der Kälte um. Zu dieser Zeit erduldete auch der hl. Prokopij vom
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Winter an seinem nackten Leib alle Übel der bittersten Kälte. Da verließ er einmal,
nachts kleinmütig geworden, die Vorhalle der Kathedralkirche, und ging zu den
kleineren Hütten, die bei der Kathedralkirche standen, in denen Arme wohnten, um
sich bei ihnen ein wenig zu erwärmen. Die Armen aber, mochten ihn nicht aufnehmen,
sondern schlugen häufig die Tür vor ihm zu, wenn sie ihn gewarten, einige aber gingen
sogar mit Stöcken auf ihn los, und jagte ihn mit Geschrei von sich weg: “Geh´ hinweg
von hier, du Narr, geh´ weg!” Er aber ging fort von ihnen in ein leeres Haus hinein und
fand in einem Winkel Hunde liegen und legte sich zu ihnen, um sich ein wenig zu
erwärmen. Die Hunde aber standen auf und liefen vor ihm davon.
Als der Gottesknecht sah, wie nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere ihn
verabscheuten, sprach er bei sich. “Der Name des Herrn sei gepriesen, jetzt und von
Ewigkeit zu Ewigkeit.” Darauf kam ihm aus dem Herzen in den Sinn, da ihn Menschen
und Tiere verstoßen hatten sich also auf den Pfad der Erlösung zurück zu begeben und
sich zu den Kirchenstufen unter den Schutz der Gottesmutter zurückzubegeben. In den
Vorraum der Kirche zurückgekehrt, saß er dort zusammengekrümmt und am ganzen
Leib zitternd und verzweifelte an seinem Leben und wartete auf seinen letzten
Atemzug und betete, Gott möge seine Seele zu Sich nehmen. Da verspürte er plötzlich
Wärme in sich und schlug seine Augen auf und sah vor sich den Engel Gottes, der ihm
in solcher Gestalt erschien, wie er manchmal vor Zeiten in Konstantinopel dem hl.
Narren Andreas erschienen war, als er in einer ähnlichen Zeit bittersten Frostes am
Leben verzweifelte. Der Engel trug in seiner Hand einen Paradieszweig, mit roten und
weißen Blüten, und schaute den hl. Prokopij an und sagte: “Prokopij, wo bist du?”
Prokopij antwortete: “Ich bin im Finstern, im Schatten des Todes, in Eisen geschlagen.”
Doch der Jüngling berührte mit dem himmlischen Zweig das Antlitz des hl. Prokopij,
und sagte: ”So empfange nun Wiederbelebung deines Leibes und Erlösung von der
über dich gekommenen Erstarrung der Kälte.” Und mitten in der winterlichen Kälte
drang der Duft von Frühlingsblüten in die Seele des hl. Prokopij. Der erschienene
Jüngling leuchtete blitzartig auf und verschwand, doch das dem hl. Prokopij
wiedergegebene Lebensgefühl blieb in ihm, wie vormals beim hl. Andreas. So wurde
der hl. Prokopij in seinem bitteren Leiden durch die göttliche Barmherzigkeit bewahrt
und behütet und überstand die grimmige Kälte ohne Schaden. Als das zweiwöchige
Schneegestöber vorrüber war, kam der Diener Gottes einmal aus der Vorhalle und
begab sich in den nahe gelegenen Bauernhof zum Gottesknecht Simeon, dem künftigen
Vater des großen Stefan, des Bischofs von Perm. Mit freudigem Gesicht und
freundlichem Lächeln trat er ein; da staunte Simeon, als er den Narren in Christo
erblickte, da er vermutet hatte, daß er vor Kälte verstorben wäre, und schloß ihn
liebevol in die Arme. Sie setzten sich und begannen eine geistliche Unterhaltung.
“Warum hast du dich meiner gegrämt, mein Bruder?” , sagte der Heilige. “Und warum
trauerst du jetzt? Verzage nicht, bereite das Mahl, damit wir uns gemeinsam daran
laben können.” Freude bemächtigte sich Simeons über dieses unverhoffte Anerbieten
und bis das Mahl gerichtet wurde, fragteder Heilige: “Sage mir aufrichtig, mein lieber
Bruder, hast du dich arg um mich den Wanderer gegrämt, im Glauben, daß ich durch
den grausamen Frost umgekommen sei? Was wäre dann aus meinen Brüdern, den
Armen geworden? Gott ist mit denen die ihn lieben, bei denen, die gebrochenen
Herzens sind und mit Seinem Heiligen Geist bei den Friedfertigen. Liebst du mich auch
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weiter so, wird deiner Seele viel Trost wiederfahren, doch traure auch dann nicht mir
nach, denn groß pflegt die Freude eines Menschen zu sein, dessen ganze Seele mit
Kummer erfüllt ist, und der mit ganzem Herzen seine Hoffnung auf Gott setzt, von
Ewigkeit zu Ewigkeit.” Da verstand der so belehrte Simeon, den verborgenen Sinn
seiner Rede, daß etwas Wunderbares mit ihm während der strengen Kältezeit sich
ereignet hatte, und er gab ihm einen Kuß und forschte mit freundschaftlichen Worten
nach den Leiden des Heiligen während des Unwettters, beim lebendigen Gott ihn
beschwörend, nichts zu verschweigen, wo er während der bitteren Kälte seinen
Aufenthalt hatte, um ihm die Gnade Gottes nicht zu verheimlichen: “Wie konnte ein
ungeschützter Körper so viele Tage und Nächte so ein Unwetter ertragen?” Mit einem
Seuftzer aus der Tiefe seines Herzens antwortete der demütige Prokopij : “Welch
Gewinn versprichst du dir, mein Bruder, von mir unreinem Gottesnarren, der
herumliegt auf Fäulnis im Gestank seiner Sünden. Doch deine gewaltige Liebe
veranlaßt mich, dir mein Geheimnis zu bekennen. Ich beschwöre dich aber im Namen
Gottes des Vaters, unseres Erlösers Jesu Christi und im Namen des Heiligen Geistes, so
lange ich am Leben bin, nichts zu eröffnen, um deiner Liebe willen was ich dir kundtun
werde.” Simeon schwor das Geheimnis zu wahren, und der Diener Gottes öffnete seine
Lippen und erzählte das weiter oben bereits wiedergegebene.
Der Gerechte Gottes empfand nicht von ungefähr ein geistiges Band zum frommen
Simeon, er erkannte mit seinem prophetischen Blick die Nachkommen, die von ihm
entspringen werden; doch nicht ihm eröffnete er dies freudige Geheimnis, sondern der,
die noch in der Kindheit vorbestimmt war, im Bunde mit Simeon dem großen Stephan
das Leben zu geben. Erst drei Jahre zählte die selige Maria, die Tochter eines
Kleinbürgers von Welikij- Ustjug. Einst passierte sie die Kathedralkirche Entschlafen
Mariens mit ihren Eltern, während des Abendamtes, als sich viel Volk um das
Gotteshaus, dem Gottesdienst lauschend, scharte. Da trat Prokopij hervor, neigte sich
tief bis zum Boden vor dem Mägdlein und sagte vernehmlich: “Seht meine Tochter, die
Mutter unseres großen Vaters und Lehrers Stephan, des Bischofs von Perm.”
Da wunderten sich viele verständige Leute, die dies hörten, und sprachen staunend bei
sich: “Ob wohl in Perm ein Bischof ist?” Zu dieser Zeit nämlich war die Gegend von
Perm noch nicht vom heiligen Glauben erleuchtet, und es befand sich da noch kein
einziger Christ, sondern alle waren dort von Götzendienst verwirrt bis zu dem Tag des
hl. Stephen, der von diesem Mädchen geboren wurde, als es das notwendige Alter
erreicht hatte und mit dem zuvor erwähnten Simeon vermählt wurde. Der in Christo
Armselige, pflegte, wenn er betend durch die Gegend wanderte, drei Feuerhaken zu
tragen und es bemerkten im geistlichen Leben Erfahrene, daß wenn diese Feuerhaken
vorwärtsgestreckt waren, eine reiche Ernte zu erwarten war, aber richtete er diese nach
oben, verkümmerteGetreide und alle Erdfrucht. Oft kam der fromme Prokopij ans
Ufer des Flusses Sochona, lies sich dort auf einen Stein nieder und blickte auf die, die auf
ihren kleinen Kähnen an ihm vorbeiglitten und bat Gott, er möge ihnen eine ruhige
Fahrt geben. Er gewann den Ort um den Stein auf dem er zu rasten Pflegte so lieb, daß
er die Vorbeigehenden inbrünstig bat: “Legt meine Gebeine zu ihrer letzten Ruhe an
diesem Ort nieder, und setzt den Stein, auf dem ich jetzt raste, auf mein Grab und der
Herr wird euch Gnade wiederfahren lassen am Tage des Jüngsten Gerichtes. Darauf
kehrte er wieder zur Kathedralkirche zurück, um am Abendgottesdienst teilzunehmen.