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? – Das Väterbuch des Kiewer Höhlenklosters

Chronikbericht von den ersten Mönchen des Höhlenklosters 293

Chronikbericht von der Überführung der Gebeine.

Feodossi Petscherskis 299

Chronikbericht von dem Wunder, wie Feodossi Petscherski

dem Bischof Nifont erschienen ist 302

Chronikbericht von der Wahl Wassilis zum Abt

des Höhlenklosters 303

Aufzeichnung über den seligen Simon,

Bischofvon WIadimirund Susdal 303

Von den Äbten des Höhlenklosters seit seinen Anfängen 304

Erläuterungen 306

Häufig wiederkehrende Begriffe 306

Zeitangaben 307

Erläuterungen zum Text 308

Die beiden Krypten des Kiewer

Höhlenklosters 366

Literaturverzeichnis 368

Verzeichnis von Äbten des Höhlenklosters

sowie von Metropoliten und (Groß-)Fürsten der Kiewer Rus

des 11. und 12. Jahrhunderts 373

Personenregister 377

Abbildungsverzeichnis 389

ZUM GELEIT

Die »Taufe Rußlands« vor 1000Jahren, deren weltweit gedacht wurde, war ein

Staatsakt, die

Christianisierung des

weiträumigen Landes dauerte Jahrhunderte. Die Wirklichkeit dieses zeitlich so fernen

Geschehens

vermittelt kein

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? – Das Väterbuch des Kiewer Höhlenklosters

anderes überliefertes Zeugnis besser als das Väterbuch des Kiewer Höhlenklosters.

Seine

Erzählungen in der

hagiographischen Tradition der griechischen Kirche bringen uns die Menschen des

mittelalterlichen Rußland nahe,

nicht nur jene, die das Christentum ganz ernst nahmen und Mönche wurden, sondern

auch die

anderen, die ein

weltliches Leben führten.

Sicher zu Recht hat man in der Entstehung und Entfaltung des Kiewer

Höhlenklosters so etwas wie

eine erste

Reformbewegung in der altrussischen Kirche gesehen. Eine Bewegung, in der das

Mönchtum zum

Träger der

Evangelisierung und einer eigenständig russischen christlich-geistlichen Kultur wurde.

Das

Kiewer Väterbuch ist ein

frühes Produkt dieser Kultur und macht ihr Werden verständlich. Es hat weitergewirkt

in der

Geschichte der russisch-

orthodoxen Kirche, wann immer es um kirchliche Selbstbesinnung und

Verinnerlichung des

Glaubenslebens ging.

Vielleicht wäre es nicht ganz abwegig, in diesem Zusammenhang an die Confessiones

des Augustinus

als an eine

entfernte Parallele zu erinnern.

Es ist kaum ein Zufall, daß dieser wichtige Text so lange unzugänglich

blieb und nun zum

erstenmal vollständig

in deutscher Übersetzung vorliegt. Der traditionellen Historiographie aller Art lagen

die

Legenden um die Kiewer

Väter fern, und die Probleme einer sachgerechten und sinngemäßen Übertragung sind

nicht gering.

Daß sie endlich in

einer Form gelöst werden konnten, die dem Leser alle Verständnishilfen bietet, ist

dankbar zu

begrüßen. Möge das

Kiewer Väterbuch von allen gelesen werden, die daran interessiert sind, den

russisch-orthodoxen

Teilbereich der

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? – Das Väterbuch des Kiewer Höhlenklosters

europäischen Christenheit in seinen Wurzeln zu verstehen.

Köln

Günther Stökl

Der hl. Abt Otmar

Der hl. Otmar war seiner Herkunft nach Alemanne und diente in seiner Jugend dem

Grafen Viktor von Chur, bei welchem er mit so großem Erfolg in den Wissenschaften

und im christlichen Lebenswandel ausgebildet und erzogen wurde, so daß er nach

Abschluß seiner Ausbildung zum Priester geweiht wurde. Als solcher arbeitete er

zunächst in einer dem hl. Florin geweihten Eigenkirche des Grafen. Von hier

verbreitete sich der Ruf des lauteren Lebenswandels des hl. Otmar überall im Land.

Seit dem ruhmreichen Begräbnis des hl. Bekenners Gall hielten seit den ZeitenKönig

Dagoberts bis auf Karl Martell göttesfürchtige Kleriker die Wache am Grab des

Heiligen, zum Teil waren es Schüler des hl. Gall zum Teil Männer, die von der Liebe

Gottes entflammt diesen Dienst ausübten. Als die Wunderberichte vom Grab des hl.

Gall sich immer mehr häuften, wurde der Ort mit vielen Weihgeschenken in Form von

Geld und Gut gefördert. Schließlich lag es nahe mit den von allerort zuströmenden

Zuwendungen eine Klostergemeinschaft zu gründen. Hierzu erbat sich der Besitzer der

Gebietes in welchem der hl. Gall seine Zelle errichtet hatte ein gewisser Waltram, vom

Grafen Viktor einen zuverlässigen Mann, dem er den zu Ehren des hl. Gall gespendeten

Besitz anvertrauen könne, und wies dabei auf den Priester Otmar. Seine Bitte wurde

erfüllt und nachdem Otmar die Zelle übernommen hatte, erwirkte Waltram bei Karl

Martell die Bestätigung für die Einrichtung eines regulären Klosterlebens am Ort der

Zelle des hl. Gall durch den Priester Otmar, den er mit gebracht hatte. Sogleich nach

seiner Rückkehr begann Abt Otmar die notwendigen Gebäude zu errichten und

bestimmte in kurzer Zeit das Leben der Brüderschaft in der Weise, daß der

unverrückbare Mittelpunkt ihres Lebens der Gottesdienst bildete.

Der hl. Otmar war ein Liebhaber der Einfachheit. Er fastete häufig, liebte die

Nachtwachen, und bemühte sich stehts um das ununterbrochene Gebet. Dabei

bewahrte er stehts einen demütigen Sinn und floh die Ehre der Welt. Statt wie für

seines gleichen üblich war bei den notwendigen Geschäften außerhalb des Klosters ein

Pferd zu benutzen, zog es der hl. Otmar vor auf einem Esel seine Ausgänge zu

erledigen. Große Liebe hatte er zu den Armen, und lies für diese in der Nähe des

Klosters ein kleines Spital errichten, wo diese aufgenommen und gepflegt wurden.

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Der hl. Abt Otmar

Verfasser:

Vr. Michael (Kresin)

Übersetzer:

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8

? – Der hl. Abt Otmar

Wenn einmal ein Armer zum Kloster selbst kam, übernahm er nach Möglichkeit, die

Hilfeleistung an dem Armen selbst und überlies sie nicht anderen. Oft verlies er auch zu

nächtlichen Stunde das Kloster um das Spital aufzusuchen und selbst bei der Pflege der

Kranken mitzuhelfen, wie das Waschen der Kranken, das Säubern von Wunden und

Geschwüren, und die Darreichung von Nahrung. Aus diesem Grund wurde er von

allen hochgeehrt und der Armenvater “Pater Pauperum” genannt. Es kam auch vor,

das er ohne Tunika nur mit dem Untergewandt bekleidet ins Kloster zurückkehrte,

weil er diese einem Armen geschenkt hatte. Einmal wurde er von König Pippin

empfangen und großzügig beschenkt. Unter anderem erhielt er siebzig Pfund Silber für

die Bedürfnisse der Brüderschaft. Als der hl. Abt den Herrscherpalast verlassen hatte,

schenkte er noch im Schatten seiner Tore stehend den größten Teil des Silbers an die

hier zahlreich versammelten Armen. Mit einem ganz geringen Teil des Silbers kehrte er

zu seinem Kloster zurück und kaufte dafür ein benachbartes Grundstück.

Übermäßigen Reichtum empfand der hl. Abt Otmar als Belastung, und zog desshalb für

sich und die Bruderschaft die Genügsamkeit vor.

Nach dem Tod Karl Martells besuchte Karlmann, der sich auf dem Weg nach Rom

befand, um der Welt zu entsagen, des Gebetes wegen das Kloster des hl. Gall.

“Armselig zwar ist dieser Ort an Vermögen, aber wegen der Verdienste des hl. Gall

steht er im besten Ruf. “ soll er über diesen Ort geäußert haben. Und da er sich von

seinen Reichsgeschäften bereits getrennt hatte, schrieb er an seinen Bruder Pippin, dem

Kloster einen Erweis seiner königlichen Freigebigkeit gewähren und übergab diesen

dem Abte Otmar. Pippin, der damals noch Hausmaier war, erfüllte die Bitte seines

Bruders und übergab dem Abt Otmar bei dieser Gelegenheit die Regel des hl. Benedikt

über das Gemeinschaftliche Leben der Mönche, mit dem Auftrag diese Regel bei sich

einzuführen.

Auf die Bitte des Abtes schenkte Pippin dem Kloster auch eine Glocke. Dann lies er

einen Brief erstellen in welchem Kraft seiner fürstlichen Macht bestätigt wurde, daß

sowohl der anwesende Abt Otmar als auch seine Nachfolger ausschließlich den

Reichsherrschern unterständen und die Verwaltung des Klosters nur durch königliche

Gewalt verliehen werde. Seit jener Zeit war die vormalige Zelle des hl. Gall in eine

Benediktienerabtei umgewandelt.

Zur Vervollkommnung eines seines tugenhaften Lebenswandels ließ es Gott zu den hl.

Otmar wie in einem Feuerofen zu prüfen. Warin und Ruthard zwei Verwalter, die die

Aufsicht über ganz Alemannien besorgten, nahmen ihre Tätigkeit zum Anlaß sich

selbst mit Kirchengütern die sich in ihrem Machtbereich befanden zu bereichern. Als

die Enteignungen die das Kloster des hl. Gall durch die obengenannten Präfekten

hinnehmen mußte den Grad erreichten, daß das Kloster zu darben begann, und man

den Abgang von Mönchen und den Niedergang des Klosterlebens befürchten mußte,

wandte sich der hl. Abt Otmar an König Pippin, und stellte ihm die tyrannische

Auslegung der Verwaltungstätigkeit der beiden Präfekten vor Augen. König Pippin

drohte daraufhin den beiden mit Entlassung aus ihrem Dienst, wenn sie den Kirchen

nicht das zu Unrecht entrissene zurückerstatteten. Diese aber verachteten den

königlichen Befehl. Und als der hl. Otmar in derselben Sache wiederum zum König

ziehen wollte, nahmen sie ihn auf dem Weg gefangen, und überredeten einen falschen

Mitbruder des hl. Otmar namens Lantpert, gegen den eigenen Abt Verdächtigungen zu