Erklärung der Teilnehmer an der9. Gesprächsrunde

der Geistlichen der Russischen Orthodoxen Kirche (des

MoskauerPatriarchatsundderAusl andskirche)
Deutschland, v. 3./16. Dezember 1997

in

In der zum Ende des Jahres 1997 bestehenden Situati-

oneinerVerschärfungdesVe rhältnisseszwischendem

Moskauer Patriarchat und der RussischenA u s l a n d s k i rc h e

istallein schon die Tatsachevon Bedeutung, daß wir uns

begegneten und unseren offenen Dialog fortsetzen konn-

ten.

Angesichts unseres gegenseitigen Verständnisseskön-

nen wirdieHoffnung nichtaufgeben,daßeineweitere

f ru c h t b a r e Erweiterung des eingeschlagenen Weges mög-

lich ist.

Wirsind uns derSchwierigkeiten bewußt, die gewis-

sermaßen von neuem entstanden sind. Hierbei erinnert die

jetzigeA rgumentation

allzusehran

die

Konf ro n t a t i o n

f r ü h e r er J ahrzehnte, und uns ist klar, daß jetzt ein solches

Gegeneinander dasZeugnis über die Kirc he als dem Leib

Christi untergräbt.

Bisher haben wir - in unserem kleinen Kreis -off e n h e r-

zig miteinander über alle Probleme gesprochen, und auch

jetztkonnten wir, trotzallem, im gleichen Geiste über all

das sprechen, was zwischen uns liegt. Wenn wir uns des-

sen bewußt sind, daß wir Kinder der einen Russischen Kir-

che sind, dann tragen wir auch Verantwortung dafür, daß

i h r e

subst antielleEinheitweiterhinzumVorscheinge-

bracht wird.

183

1.

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Solange esdie Trennung gibt, wird es auch Anlässe zu

i h r er Vertiefung geb en, da im Zustand der Trennung auch

die Möglichkeitimmer neuer Konflikte grundgelegt ist. Es

gibt Kräf te, die an der Vertiefung des Gegensatzes intere s -

siert sind. Sogar Menschen, die um den Nutzen der Kirche

eifern, können ihn vertiefen, ohne dies zu wollen. Oft sind

die

uns

trennenden

Momente

im

Unwissen

und

in

Mißverständnissengegründet, wasin einemernsthaften

Dialog offensichtlich wird, auf der Ebene von Zeitungspo-

lemik demgegenüber, bei unklaren oder überspitzten For-

m u l i e rungen in Ve r l a u t b a r ungen, oderbeiunterschiedli-

chemVerständnisvonBegriffenvernebeltwird.Solche

Momente sollten zumindest dort, wo es möglich ist, besei-

tigt werden.

2.

ImVerlaufe derzurückliegenden ac htGesprächstre f -

fenhabenwirfolgendeThemendiskutiert:diegottes-

dienstliche Praxis, die Sakramente, die Riten, die Probleme

der Übersetzungen, daskanonischeRecht undseineA n -

wendung inder heutigen Situation,(dasVe rhältnisvon)

Kirche und Staatsmacht, den Ökumenismus, die Geschich-

te der Russischen Kirche im20. Jahrhundert- und in die-

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sem Zusammenhang den Hl. Patriarchen Tichon, den We g

derMetropoliten Sergij (Stragorodskij)undKirill(Smir-

nov),den Beginn derTrennung unddieweiteren Bezie-

hungen zwischen dem Moskauer Patriarchat und der Rus-

sischen Auslandskirche.

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3.

WirmöchtendieAufmerksamkeitorthodoxerMen-

schen aufeinige Momente lenken, die wir in uns eren Ge-

sprächen klären konnten:

1) Die Russische Kirche befand sich in extremen Bedin-

gungen,ausdenendieTrennunghervorgeht.DieMen-

schen in Rußland und im Ausland vollzogen ihren kirc h l i-

chenDienstinvollkommenunterschiedlichenUmstän-

den, daher sahen sie und bewerteten die Situation unter-

schiedlich, sowohl in Rußland selbst als auch imA u s l a n d .

So entstanden die verschiedenen Wege der Russischen Kir-

che. Damalswardiesunumgänglic h.Hierbeiließen die

UnterschiedeinderBewertungunddasunzulängliche

Verständnis für die Wahl des Anderen Mißtrauen, Vorwurf

und Feindschaft entstehen. In diese innere Not der Kirc h e

drangenzusätzlichnochaktiv antikirchlicheKräfteein,

diedurchihreTätigkeit

Feindlic hkeit,Desinformation

säten. Jetztkönnen sich unsereA n s t rengungen fru c h t b a r

auf die Beseitigung der vergifteten Saat richten.

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DasWortvondenverschiedenen“TeilenderRussi-

schen Kirc he”meintnichtein Zerreißen derKirc he in ir-

gendwelcheTeile,sondernbehauptet,imGegenteil,ein

positivesVerständnisihrerGanzheitlichkeit,aufdessen

Grundlage man die Schärfen des Gegeneinander überwin-

den kann und soll. In diesem Sinne verstehen wir uns alle

als Kinder der geistlic hen Traditionen der Russischen Kir-

che. Sie ist die Mutterkir che für uns alle und tritt durch das

ihr eigene kirchliche Leben sowohl in Rußland als auch im

Ausland in Erscheinung, wodurch sie uns bereits vereint.

2) Der Begriffder “Kanonizität”kann auch zurWa f f e

im Kampfum die Selbstbehauptung werden, aber die Ka-

nonizitätmuß einaufbauendesPrinzipunsereskirc h l i-

chen Lebens sein. Was dies betrifft, gibt esin Rußland wie

im Ausland Probleme, wenngleich unterschiedlic herA r t .

Wir sind uns darin einig und stellen hier fest, daß die Gna-

denerfülltheitder Sakramente, desPriestertumsund des

kirchlichen Lebens nicht in Frage gestellt werden soll.

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