Machthabereine Loyalitätserklärungder Kirc h e n l e i t u n g

an, die sich völlig demStaat unterwerfen sollte. Ein gün-
stigerAugenblickkamimJahre1925,alsPatriarc h

Ti c h o nstarb.Inder

IzvestijaerschieneineWochenach

demTodedesPatriarchen ein“TestamentarischesSend-

s c h reiben”,dasaberbisheutein derkirc h e n g e s c h i c h t l i-

chen Forschung umstritten ist und wohl als Fälschung be-

zeic hnetwerdenkann.In diesem“Sendschreiben”hatte

der Patriarch die Gläubigen und Geistlichen dazu aufgeru-

fen, sich dem “Sowjetregime... in gutem Glauben zu unter-

werf en”. Doch zeigte dasSendschreiben wenig Wi r k u n g .

SowurdederDruck aufdieKirchenleitung weiterver-

stärkt:dieWahleinesneuenPatriarchen wurdeverh i n -

dert, die vom Patriarchen im Falle seines Todes ernannten

S t e l l v e r t r eterderReihenach verhaftet, desgleichen wie-

derum deren Stellvertreter.
ImJahre1927kamen dieMachthaber dann zu dem

erwünschten Ziel, als Metropolit Sergij (der spätere Patri-
a r ch in den Jahren 1943-1944) eine “Loyalitätserklä-

rung” unterschriebund die Geistlichkeit und die Gläubi-

gen aufforderte, sich gegenüber dem Sowjetr egime künftig

“loyal”zuverhaltenunddasRegimeals“echteVo l k s-

re g i e r ung”anzuerkennen. Zusätzlic h versprach derMe-

t r opolitin diesemSchreiben, daß die “Kirche künftig auf

seiten der Regierung stehen” werde und begründete diese
Haltung mit dem Wort des Apostels Paulus (Röm. 13,1-
7). Die Loyalitätserklärung blieb bis zum Ende der Sowjet-

herrschaft die reale Grundlage der offiziellen Politik zwi-

19

IMAGE seide200210.gif

Ikone der Zarenmärtyrer,verherrlicht 1981

IMAGE seide200211.gif

Ikone der Hll. Neumärtyrer und BekennerRußlands

schenderrussischenPatriarc h a t s k i r cheunddemStaat.

DieKirchenleit ungdesMoskauerPatriarchats,dieBi-

schöfe und viele Geistliche rechtfertigten dieses Dokument

bis in die jüngste Ve r gangenheit und unternahm en immer
wieder den Versuch, die Loyalitätserklärung von 1927als

Fortsetzung des von Patriarch Tichon beschrittenen Weges

zu rechtfertigen, wobeidas sog. „Testament“ des Pat riar-

chen als Ursprung einesdieses kirchenpolitischen We g e s

herhalten mußte.
Die “Loyalitätserklärung” des Jahres 1927wirkte sich

für die Patriarchatskir che zusätzlich zu der erwähnten völ-

ligenUnterjochungderKirchenleitung durchdenStaat

noch auf eine andere Weise verhängnisvoll aus. Es kam zu

einer Spalt ung der Russischen Kirc he in der Sowjetunion

und zur endgültigen Trennung der kirchlichen Emigration

von der Patriarc h a t s k i rche. In Rußland trennten sich zahl-

reic he Bischöfe - darunter die rangältesten - , Priester und

ganze Gemeinden von MetropolitSergij.Siewurden er-

barmungslosverfolgt.AlsKatakombenkircheüb erlebte
ein Teil dieser Verfolgten bis in die80er Jahre. Die prinzi-

piellunterschiedlic heBewertungder

„Loyalitätserklä-

rung“ und der daraus re s u l t i e renden Politik innerhalbder

Russischen Kirche sowie ihre Auswirkung auf die innere n

Strukturen des Moskauer Patriachats stellten bis in die Ge-

genwarteinwesentlichesHindernisdafürdar,daßdie

Russische Patriarc h a t s k i r che und die Russische Orthodo-

xe KircheimAuslandihreTrennung hättenüberwinden

können.

22